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(ca. 2 km)

Unser Weg führt nun die alten Höhensteig hinunter nach Leinstetten, vorbei an der Lourdes-Grotte. Kurz danach, beim neuen Wasserreservoir, gelangen wir an einen Jakobusbrunnen, wie einst ein solcher die Pilger labte. Bernhard Bronner aus Leinstetten schuf ihn 1996. Die Einweihung erfolgte am 24. August 1996. Bei den ersten Häusern von Leinstetten verlassen wir das Muschelkalk-Gebiet und betreten die Buntsandstein-Formation. Hier steht rechts des Weges die "Jakobs-Burg", benannt nach einem früheren Grundstückbesitzer mit dem Vornamen Jakob.

Der Ort Leinstetten liegt an der Glatt 457 m ü.NN und ist im Schenkungsbuch des Klosters Reichenbach am 9. April 1085 erstmals erwähnt. Der Ortsadelige Manegold, "ein nicht von geringster Freiheit", schenkte damals dem Kloster größeren Grundbesitz in Schwarzenberg a. d. Murg.1 Die Stammburg dieses edlen Geschlechtes dürfte oberhalb des Pfarrhauses an der Steige zur Sicherung des Weges gestanden haben. Das heutige Renaissance-Schloss ließen die Herren von Bubenhofen 1609 erbauen. Das frühere Wasserschloss stand daneben und wurde 1838 abgebrochen.2

Am 8. April 1474 kaufte der Oheim des Georg von Leinstetten, Konrad von Bubenhofen, das hohenbergisch-habsburgische Lehen Leinstetten. Die Herren von Bubenhofen waren bis 1783 am Ort. Es folgten: Freiherr von Frank, Graf von Sponeck, Oberamtmann Mattes, Freiherr von Batz und seit 1847 die Freiherren von Podewils.3

Die Kirche Leinstetten ist um das Jahr 1100 im Reichenbacher Schenkungsbuch erstmals erwähnt. Es heißt dort: "Rudolf von Walddorf, Vasall des Adelbert von Altensteig, schenkte dem heiligen Gregorius zwei Huben in Leinstetten und einen Teil der Kirche, welcher nachher für fünf Mark verkauft wurde."4 1275 ist im päpstlichen Zehntregister dem "liber decimationis" der Diözese Konstanz, Leinstetten als Pfarrkirche aufgeführt.5 Das einstige Kirchlein in Leinstetten war ursprünglich geostet. Am früheren Haupteingang im Westen befindet sich das bubenhofische Wappen mit der Jahreszahl 1558. Der damalige Chor ist jetzt Marienkapelle. Die Kirche ist eine Stiftung des Jakobus-Pilgers Hans Marx II. von Bubenhofen. Dieser heiratete am 20. August 1549 Katharina von Rechberg. Sie starb jedoch schon am Himmelsfahrtstag (15. Mai) 1550 kinderlos.6 Der Todesfall hat den Ehemann offensichtlich hart getroffen. Er entschloss sich nämlich sogleich eine Wallfahrt zum Grabe des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela zu unternehmen. Vor seiner Abreise hinterließ er zu Gunsten der Pfarrei ein großzügiges Testament. Darin vermachte er der Heiligenpflege 1000 Gulden und für eine Spitalgründung 6000 Gulden. Aus dem ersten Jahreszins dieses Spitalkapitals in Höhe von 300 Gulden sollte die Kirche erweitert und darin ein Jakobusaltar errichtet werden. Mit dem zweiten Jahreszins war der Baubeginn des Spitals geplant worden. Eine Testamentsanfechtung seitens der Rechberger, der Verwandtschaft der Ehefrau, endete 1556 mit einem günstigen Vergleich für Kirche und Spital.7

Hans Marx II. von Bubenhofen kehrte von der Pilgerreise nicht mehr zurück. Ein Epitaph (Grabmal) rechts vom Altar der Marienkapelle trägt folgende Inschrift:

ANNO DOMINI 1550 AVF DEN AVFFARTAG CHRISTI STARB DIE EDEL VND DVGENT REICH FRAW CHATHARINA VON BVO-BENHOVEN GEBORNE VON RECHBERG VON HOHENRECH-BERG SO IST NACH DISEM ABLEIBEN IN GEMELTEM IAR DEN ANDERN DAG NACH DER HAILIGEN DREIFALTIKHAIT HAT IM DER EDEL VND VEST HANS MARX VON BVOBENHOVEN ZVO LEINSTETTEN IR LIEBER IUNCKHER VND EHGEMAHEL EIN RAISS ZVO DEM LIEBEN SANCT IAKOB ZVO COMPOSTEL FIRGENOMEN VND ALSO AVF DEM WEG VERSCHIDEN DEREN BEDEN ABGESTORBNEN SELEN DER BARMHERZIG GOTT EIN FRÖLICHE AVFERSTEHVNG VERLEIHEN WOLLE AMEN

Der Kirchenbau verzögerte sich durch die o.g. Testamentsanfechtung . Doch am 23. Mai 1558 konnte die Grundsteinlegung erfolgen, da das Gericht zu Gunsten der Pfarrei entschied.

Der Text des Grundstein-Dokumentes lautet:

Anno Domini 1558. vnnd den 23 tag

May. hatt man den Ersten stayn disser

kirchen Leinstetten In dissem fundament

gelegt. vnnd den selbigen Auch gefiert

Michell Rummen Zu fiersel. vnnd ist

der Maister disses wercks gewesen

von unnd aus dem schweyzerland mit

marthe Sautter auch zu dersälbigen

zeytten gewessen pfarrer disser

kirchen Bardolomeus Nuskern von

Dornstetten auch solcher Kirch die weyl

sie vormals allt vnnd gar In abgangen

gewessen. gestifft worden dießelbigen

wiederumb zu nuem Ernuerem von dem

Edlen vnnd vesten Hanns Marxen von

Bubenhoffen selligen welcher in bilgärs

weys, den lieben zwelfpotten. Sant

Jakob zu Compostell heimgeschucht vnnd

nit widerum kummen gestifft hatt auch

den Spitall lautt seynes auffgeriten

testamens.

Zur Kirchweihe ist vermerkt:

Anno domini 1569 den 14 tag

May Am Samstag vor Vocem

Jocunditatis ist diße kirch

gweyet worden zur Selbige Zeit

ist Martinus Sautter pfarrer zu

Leinstetten gewessen.8

Übersetzung:

"Im Jahre des Herrn, am 23. Mai 1558, hat man den ersten Stein dieser Kirche Leinstetten in dieses Fundament gelegt und denselben auch gefeiert. Michel Rummen zu Fürnsal ist der Meister dieses Werks [Baus] gewesen. Er kam mit Marthe Sautter von und aus dem Schweizerland. Auch ist zur selbigen Zeit Bartholomäus Nußkern aus Dornstetten Pfarrer dieser Kirche gewesen, die vormals alt geworden und gänzlich abgegangen ist. Dieselbe wurde wiederum nun zur Erneuerung gestiftet von dem edlen und vesten Hans Marx von Bubenhofen seligen, welcher als Pilger den lieben Apostel Sankt Jakobus zu Compostela heimgesucht hat und nicht wieder gekommen ist. Er hat auch das Spital gestiftet laut seines aufgerichteten Testaments.

Im Jahre des Herrn, am 14. Mai 1569, am Samstag vor Vocem Jucunditatis [5. Sonntag nach Ostern] ist diese Kirche geweiht worden. Zur selben Zeit ist Martinus Sautter Pfarrer in Leinstetten gewesen."

Bei Renovierungsarbeiten im Jahre 1996 wurde eine etwa 142 cm lange und 85 cm breite romanische Altarplatte aus Sandstein auf einem gemauerten Stein-Sockel entdeckt. Die Mensa muss also von der Vorgänger-Kirche vor 1558 stammen.

Im Jahre der Grundsteinlegung des neuen Gotteshauses 1558 kauften die Testamentsverwalter ein Haus von Hans Joachim von Bubenhofen um 140 Gulden für die Spitalgründung.9

Baumaßnahmen nach dem Kirchenbau von 1558

Unter Pfarrer Moll errichtete die Kirchengemeinde 1713 eine neue Pfarrscheuer, da die alte baufällig geworden war. Auf den Neubau der Wendelinus-Kapelle im Jahre 1714 wurde bereits hingewiesen. In den Jahren 1847/48 ließ Pfarrer Bene eine neues Pfarrhaus mit Wohnungen für Pfarrer und Vikar erstellen. Nachdem im 19. Jahrhundert das Gotteshaus in Leinstetten wesentlich zu klein geworden war, plante die Pfarrei, einen Querbau anzubauen. Die Kosten wurden damals auf 11.225,75 Mark angesetzt. Ein weiteres konzipiertes Bauvorhaben mit einem vorgesehenen Kostenaufwand von 20 000 Mark aus dem Jahre 1901 kam ebenfalls nicht zur Durchführung. Doch stiftete Benedikt Kleinmaier einen neugotischen Hochaltar.10 Bischof Sproll bemühte sich 1937 nochmals um eine Erweiterung des Gotteshauses. Aber diesmal verzögerte der Krieg das Vorhaben. Erst im Jahre 1946 konnte die neue, jetzt bestehende Kirche von Architekt Schilling, Rottenburg, unter Pfarrer Anton Schmid errichtet werden. Dabei wurde das neue Kirchenschiff als Querbau an der Südseite des alten Kirchleins angebaut, so dass dieses weiter benutzt werden konnte. Der Chor der alten Kirche ist zur Marienkapelle geworden. Zuvor stand das Marienbild auf dem rechten Seitenaltar, links war ein Herz-Jesu-Altar. Die Finanzierung des Baues so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und vor der Währungsreform von 1948 musste teilweise mit Naturalien beglichen werden. Die einstige Pfarrscheuer fiel dem Anbau zum Opfer. 1984 wurde die jetzige Sakristei erstellt. Von 1985 an erfolgte die Sanierung und Renovierung des Kirchenraumes in mehreren Bauabschnitten mit einem Kostenaufwand von über einer Million Mark. Am 4. Adventsonntag, dem 21. Dezember 1986, konnte Weihbischof Anton Herre den neuen Altar weihen. Den Abschluss der Kirchenrenovation feierte die Kirchengemeinde am 13. März 1988 im Beisein des damaligen Domkapitulars Prof. Dr. Bernhard Krautter. Jetzt blieb noch ein großer Wunsch offen, der Einbau einer neuen, funktionsfähigen Orgel. Dieser konnte 1994 verwirklicht werden.

Von den Kunstschätzen des Gotteshauses ist besonders das Gnadenbild aus Unterbrändi bedeutsam. Ein Glanzstück zu der Madonna bildet der Flügelaltar aus den Beständen des Diözesan-Museums Rottenburg. Die Flügel des gotischen Schreines stammen aus der Zeit Albrecht Dürers. Den Mittelteil erneuerte und ergänzte Carl Eisele, Stuttgart, anlässlich des Kirchenerweiterungsbaues im Jahre 1946/48. Von ihm stammt auch das Eingangsportal mit den vier Evangelisten.11 Die neugotischen Fenster in der Kapelle sind eine Stiftung von Albrecht Freiherr von Podelwils und seiner Gemahlin Gabriele, geborene "Freyin von Münch", aus dem Jahre 1902. Der Abschluss des Kreuzgewölbes bildet das Bubenhofen-Wappen. Eine seltene Kostbarkeit findet sich neben dem Hauptportal: der Brückensturz des Hl. Nepomuk in die Moldau. Birett und Heiligenschein fallen dem Märtyrer des Beichtgeheimnisses voraus. Das Gemälde ist um 1780 entstanden.12

Vorne im Kirchenschiff an der linken Seite steht ein freundlicher barocker Jakobus.

Künstlerische Beachtung verdient das Grabmal des Stifters der Kirche von 1558, Hans Marx II. von Bubenhofen und seiner Gemahlin Katharina von Rechberg, rechts in der Marienkapelle.

Das Chorbild, ein Gnadenstuhl, stammt von Kunstmaler Albert Klaiber, Stuttgart, aus der Zeit des Kirchenbaues. Die Gemeinde nimmt in der Darstellung an der Herrlichkeit Gottes und an der Gemeinschaft der Heiligen teil. In der Bildmitte tritt die Dreifaltigkeit übergroß hervor. Rechts davon Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist und der Kirchenpatron St. Stephanus, links Maria unter dem Kreuz, die hl. Agnes und die hl. Elisabeth, darunter anbetende Engel. Jung und Alt, Kranke und Gesunde umringen bittend den Gnadenstuhl. Altar, Tabernakel und Ambo sind Werke des Bildhauers Joachim Hoppe, München. Der Tabernakel ist symbolhaft von einem Kelch umschlossen, der Linienführung des Altarbildes angepasst. Den Weinstock Jesu, von dem das Wort des Evangeliums ausgeht, versinnbildlicht das Lesepult. Dieser Ambo ist wie der Tabernakelträger aus Eichenholz, der Steinaltar aus hellem Jura.

Die neuen Kirchenfenster hat Kunstmaler Hermann Geyer aus Ulm entworfen.13 Die Durchführung übernahm die Firma Derix, Rottweil. Die Fenster im linken Kirchenschiff veranschaulichen in Medaillons Wunder Jesu (1. die Totenerweckung, 2. die Brotvermehrung und das Weinwunder, 3. Jesus wandelt auf dem See und die Stillung des Seesturms). Auf der rechten Seite sind Gleichnisse Jesu dargestellt (1. der barmherzige Samariter und der verlorene Sohn, 2. die zehn Jungfrauen und der Sämann, 3. der arme Lazarus). Das Fenster über dem Westeingang stellt das Wirken und Sterben des Kirchenpatrons Stephanus dar. Unten im Bild ist das Wappen der Stifter (von Podewils) zu sehen. Das Buntglasfenster über der Orgel soll die Auen Leinstettens um Glatt- und Heimbachtal zeigen.

Leinstetten ist seit dem 1. März 1972 der Stadt Dornhan eingegliedert worden.

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1 vgl. LBSt: Cod. hist. 40, nr. 147, fol. 4b - 5b (Codex Traditionum monasterii Reichenbachensis) und WUB, Bd. 2, S. 393f2 vgl. SchlAL: Abschrift B6-91/3

3 vgl. SchlAL: U 25 und Bettenhausen - Leinstetten, a.a.O., S. 43, 67 - 70 und 113 - 117

4 vgl. LBSt: Cod. hist. 40, nr. 147, fol. 19a und WUB, a.a.O., Bd. 2, S. 403

5 vgl. EAF: Ha 56, S. 13 und FDA, Bd. 1, S. 52

6 vgl. Gaier, Albert, a.a.O, S. 19

7 vgl. SchlAL: U 55a

8 vgl. PfAL: Fasc. IX, A

9 vgl. ebd.

10 vgl. ebd.

11 vgl. St. Stephanus in Leinstetten, a.a.O., S. 253

12 vgl. Rieble, Egon, a.a.O., S. 254

13 vgl. St. Stephanus, a.a.O., S. 254

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