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Ihlingen, 392 m ü.NN, hat 446 Einwohner (Stand: April 1997) und liegt an der Mündung des Rexinger Tales in das Neckartal.

Auf der untersten Talterrasse zeigten sich an zwei Stellen verschwemmte Kulturschichten der späten Hallstattzeit (um 500 v. Chr.). In diesen älteren Schichten waren Hausgruben mit frühmittelalterlicher Keramik vorhanden. Ein Schädel aus der Hallstattzeit stammt wohl von einer Bestattung. Weitere Späthallstatt-Scherben fanden sich auf der dritten Tuffterrasse und auf der Talsohle, wo das Bächlein über die unterste Terrasse herabstürzt.1 Am Bach wurde ein Teil eines römischen Falzziegels gefunden,2 er kann als Rest einer römischen Ansiedlung gewertet werden.3

In der germanischen Zeit ist der -ingen-Ort der frühen alamannischen Besiedlungsphase zuzuordnen und gehörte damals denen des "Ihilo". Urkundlich ist Ihlingen (Ihilinga) erstmals im 12. Jahrhundert (nach 1143) erwähnt, als das Kloster Reichenbach von einem Burchardus hier Güter erhielt.4 Später sind im Reichenbacher Schenkungsbuch als Ritter genannt die Brüder Konrad und Hugo von Hiligen, Werner und Dieter sowie Marquardus pinguis (lat. = dick, fett, feist; davon PN Faiß, Faißt, Faist) und Ulrich von "Ihilingin".5 - Als Zeugen treten folgende Ritter auf: 1181 Hugo von "Yhelingen", 1191 Dieter und Hugo von "Ihelingen".6 1244 ist ein Marquard als Müller (Molendinarius) von Ihlingen genannt.7 Im Jahr 1229 ist Ritter Konrad von "Ihelingen" als Lehnsmann des Grafen Otto von Eberstein und 1250 Hugo von "Ihelingen" als Lehnsmann des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen angegeben.8 - Der Ort hatte einst auch eine Burg. Der Name "Burgstall", wie eine Häusergruppe in der Ortsmitte gegenüber der Mühle bezeichnet wird, und die Flur "Burghalde" deuten noch darauf hin. Die abgegangene Befestigungsanlage weist in eine sehr frühe Zeit. Wohl deshalb liegen keinerlei Dokumente vor. Die Burg war aber nach Ansicht von H.P. Müller bis Anfang des 15. Jahrhunderts bewohnt.

Die Kirche zum Hl. Jakobus von Ihlingen war die Mutterkirche von Horb. Sie wurde vielfach verändert, 1813 erneuert. Die uralte Basilikaform trägt aber noch Spuren aus dem 12./13. Jahrhundert, die oberen Scheiben des gotischen Doppelfensters an der Ostseite stammen aus dem 14. Jahrhundert. An der Nordseite des Kirchenbaus konnte eine originale Kalkputzschicht freigelegt werden, wie sie im 12. Jahrhundert üblich war.9 Das Untergeschoss eines romanischen Turmes weist ebenfalls in das 12. Jahrhundert (Näheres siehe Kirchenbau). Von den beiden Bronze-Glocken wurde die eine im Anfang des 14., die andere im 15. Jahrhundert gegossen. Auf der großen (älteren) Glocke ist spiegelverkehrt mit z.T. umgekehrten, fehlerhaften Buchstaben zu lesen: AVE MARIA GRACIA + PTENA DONINUS + TECUM + (Gegrüßet seist Du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir) Die Schulterinschrift der kleinen Glocke lautet: + I.N.R.I. AVE MARIA GRACIA PLENA DOMINUS TECUM (Jesus von Nazareth, König der Juden + Gegrüßest seist Du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir). Darunter ist zweimal das Christusmonogramm IHS eingegossen. Gießhütte war Klain, Rottweil.10 - Wegen des hohen Alters blieben die Glocken im Ersten und Zweiten Weltkrieg vor dem Einschmelzen für Kriegsmaterial verschont.

Das Kirchenpatrozinium St. Jakobus ist seit dem Jahre 1400 belegt.11 In den Statuten des Chorherrenstifts Horb aus dem Jahre 1387 sind verschiedene Anweisungen zum Jakobusfest enthalten, wohl in Anlehnung früherer Gepflogenheiten in der Mutterpfarrei St. Jakobus Ihlingen.12

- Als Mutterkirche von Horb muss aber schon wesentlich früher ein Kirchlein bestanden haben. Bossert schreibt: "Für Ihlingen kommt in Betracht, dass es durch Kaiser Heinrich II. an das Bistum Bamberg geschenkt worden war. ... Es ist wohl möglich, dass Ihlingen durch den eifrigen Kirchenbauer und Missionsapostel Pommerns, den hl. Otto, Bischof von Bamberg 1029-39, seine Kirche erhalten hat."13

Vom 12. bis 15. Jahrhundert war Ihlingen Sitz von Ministerialen der Pfalzgrafen von Tübingen, seit 1244 ist ein Müller von Ihlingen und ab 1300 ein Faist von Ihlingen genannt.14 Im Jahre 1302 vermachte Graf Burkart von Hohenberg dem Johanniterhaus in Rexingen die Ihlinger Mühle als freies Eigentum.15 Im selben Jahr hatten die Herren von Neuneck bereits Güter in Ihlingen16 und bis 1368 den dortigen Kirchensatz. Am 11. November d. J. erwarb ihn Graf Rudolf von Hohenberg und gab ihn 1387 an das neu errichtete Chorherrnstift Horb. Daraufhin wurde Ihlingen Filial der Stiftskirche von Horb, welche bis dahin nur Kapelle und Filialkirche der Jakobuskirche Ihlingen war.17 Dies bedeutet: Obwohl Horb schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts zur Stadt erhoben wurde, behielt Ihlingen trotzdem rechtlich gesehen weiterhin den Status der Pfarrkirche und die Gotteshäuser von Horb nur den von Filialkirchen. Im Zehntregister der Diözese Konstanz aus dem Jahre 1275 erscheint Ihlingen jedoch nicht, dagegen ist für Horb zusammen wohl mit Eutingen ein gemeinsamer Pfarrherr angeführt.18 Bossert geht deshalb davon aus, dass der Pfarrer von Ihlingen bereits im Jahre 1275 seinen Sitz in dem bedeutenderen Horb genommen hatte.19

Von den Herren von Ihlingen kamen die Ihlinger Güter an die Herren zu Ehingen. Den ganzen Besitz kaufte im Jahre 1470 das Spital in Horb und erhielt dadurch die Niedergerichtsbarkeit.20 Die Neckarwiesen bei Ihlingen und große Waldungen gehören noch heute dem Horber Spital.

Am Kirchenbau ist zu beachten: Der rechteckig abschließende Chor ist ebenso breit wie das Kirchenschiff, was den Bau besonders lang gezogen wirken lässt. Darüber erhebt sich auffallend schmal und hoch der Giebel mit seinem steilen Satteldach. Seitlich vom Chor schließt sich nach Norden der eindrucksvolle frühgotische Turm an. Er hat in den unteren Stockwerken nur schmale Lichtöffnungen, im Glockenhaus spitzbogige Fenster. Eine alte Holztreppe führt außen in ein oberes Stockwerk. Dieser hohe Zugang lässt den Turm wehrmäßig erscheinen. Die Grundmauern, bis zu einer Mauerstärke von 1,74 m, deuten ebenfalls auf eine Verteidigungsfunktion. Beide vorhandenen Dachwerkkonstruktionen des Kirchenbaus sind auf Grund dendrologischer Untersuchungen der Zeit um 1464 zuzuordnen. Das Dachwerk auf dem Turm ist in die Jahre 1467/68 datiert.21 Dies bedeutet, dass zu dieser Zeit eine gründliche Renovierung der Dachkonstruktionen erforderlich war.

Der Zugang zur Kirche befindet sich auf der Südseite. Das sonst übliche Westportal fehlt. Durch einen Anbau ist dieses offensichtlich entfallen. Beim Betreten der Kirche sollten die schön gearbeiteten, mit Nägeln verzierten Holztüren beachtet werden. Die Beschläge sind noch original erhalten. Im Innern fällt zunächst wiederum die ungewöhnliche Länge auf, die dadurch betont wird, dass das Langhaus fast ohne räumliche Unterteilung in den rechteckigen Chor übergeht. Die Empore mit seiner warm wirkenden Holz-Balustrade aus der Barockzeit belebt den Innenraum. Die Holzkanzel auf einem Kragstein stammt aus dem Jahre 1617. Sie ist eine kunstvolle Intarsienarbeit im Renaissancestil. Beachtenswert ist die altertümliche Stiege zur Empore. Im Altarraum wurde während der Innenrenovation im Jahre 1990 die bereits erwähnten Fresken aus dem 12./13. Jahrhundert freigelegt, links die Geburt Christi mit Maria und Josef, im Hintergrund die Hl. Dreikönige, rechts umfängt eine Schutzmantel-Madonna behütend die Gläubigen unter ihrem von Engeln ausgebreiteten Mantel. Als Blickfang wirkt das o.g. frühgotische Doppelfenster. Unter den Heiligenfiguren hat der Patronatsheilige Jakobus eine zentrale Stellung im vorderen Kirchenschiff. St. Jakobus führt in der rechten Hand einen Pilgerstab mit Kalebasse, links ist ein Buch und auf seiner Brust die Pilgermuschel abgebildet. Die Figur ist in die Zeit von 1680/90 zu datieren und stammt höchstwahrscheinlich aus der Rottenburger Werkstatt des Heinrich Carl Amrein (1651-1731). Der Kopf ist jedoch wesentlich jünger.22

Im Rundbogen des Kirchhof-Portals ist ein unscheinbares, historisch jedoch interessantes Wappen eingelassen. Es handelt sich um ein Sparrenschild der o.g. Herren von Ehingen und Ihlingen. Die Forelle ist das Wappentier des einstigen Rittergeschlechtes der Herren von Ihlingen. Diese Forelle wurde in das heutige Ihlinger Gemeindewappen übernommen.

Zwischen der Bundesstraße und dem Neckar besaßen die Horber Franziskanerinnen zeitweilig ein Haus.23 Auf der Karte von Alois Fischer aus dem Jahre 1789 ist es als Besitz des Spitals Horb eingezeichnet.24 Im Güterbuch der Gemeinde Ihlingen wird der Bau mit "Spitalhaus" bezeichnet.25 Als Ersatz für das später abgebrochene Gebäude wurde im heutigen Gasthaus zum Grünen Baum ein Wohn-, Schul- und Armenhaus eingerichtet.

Für die Jakobus-Verehrung in Ihlingen ist eine Papsturkunde von Papst Clemens XII. vom 9. Oktober 1739 von besonderer Bedeutung. Darin ist der Kirche St. Jakobus zu Ihlingen ein Ablassbrief für die Kirchen-Besucher am Jakobustag gewährt.26

Im Jahre 1805 kam Ihlingen mit Horb an Württemberg. Seit 1971 ist Ihlingen Stadtteil von Horb.

Vor dem Kirchhof steht ein Jakobusstein, den Pfarrer Ewald Werner am 30. Oktober 1994 einweihte. Seit April 1997 lädt hier eine Ruhebank zum Verweilen und zur Meditation ein. Der Stein ist in die Liste der geschützten Kleindenkmale aufgenommen.27

 

Am Jakobusfest 1995 konnte die renovierte Mühle eingeweiht werden. Sie dient der katholischen Kirchengemeinde als Gemeindezentrum. In dem Gebäude ist auch die Ortschaftsverwaltung in Miete untergebracht. Verwaltet wird der Bau von der Kirchengemeinde Hl. Kreuz Horb und vom Filialausschuss der Kirchengemeinde.

 

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1 vgl. Fundberichte aus Schwaben, NF IV (1926-1928), Stuttgart 1928, S. 43f

2 vgl. ebd. S. 44 und 79

3 vgl. Wein, Gerhard, Vor- und Frühgeschichte, a.a.O., S. 94

4 vgl. LBSt: Cod. hist. 40, nr. 147, fol. 29a; Württ. Urkundenbuch, a.a.O., S. 411

5 vgl. LBSt: Cod. hist. 40, nr. 147, fol. 34b und 36a; WUB. Bd. II, S. 416f

6 vgl. WUB. Bd. II, S. 210, 272 und Bd. V. S. 251

7 vgl. WUB. Bd. IV, S. 67

8 vgl. WUB. Bd. III, S. 256, Bd. IV, S. 207

9 vgl. Steiner, Josef, Restaurator, Rottenburg-Weiler, Schreiben vom 20.08.1989

10 vgl. Grundmann, Günther, Deutscher Glockenatlas, a.a.O., S. 388

11 vgl. HStAS: B 43 U 145. Hoffmann nennt erst das Jahr 1443 lt. einer Urkunde des Spitalarchivs Horb (SpH, S. 45). Vgl. Hoffmann, Gustav, a.a.O., S. 143

12 vgl. Köhler, Joachim, a.a.O., S. 62f

13 vgl. Bossert, Gustav, Aus Horb a.N. und Umgebung, a.a.O., S. 20

14 vgl. Das Land Baden-Württemberg, a.a.O., Bd. V, S. 640 u. WUB. Bd. IV, S. 67

15 vgl. Schmid, Ludwig, Monumenta Hohenbergica, a.a.O. S. 154

16 vgl. Locher, Sebastian, a.a.O., S. 97

17 vgl. Schmid, Ludwig, Monumenta Hohenbergica, a.a.O., S. 566 und 744-746;

vgl. OAB Horb, S. 203

18 vgl. FDA, Bd.I, S. 50-52 (Liber decimationis cleri Constanciensis pro Papa de anno 1275) - Hier wird

 "Horwe et Wittingen" als Horb und Weitingen gedeutet. Joachim Köhler interpretiert Wittingen als Eutingen (vgl. Köhler, Joachim, a.a.O., S. 46)

19 vgl. Bossert, Gustav, Die Urpfarreien Württembergs, a.a.O., S. 34

20 vgl. Schmid, Ludwig, Geschichte der Grafen von Zollern-Hohenberg, a.a.O., S. 462

21 vgl. Lohrum, Burghard, Ingenieurbüro, a.a.O.

22 vgl. Manz, Dieter, Rottenburg, Schreiben vom 15.03.1997

23 Recherchen von H.P. Müller, Empfingen

24 vgl. Köhler, Joachim a.a.O., S. 47

25 GGI, Band der Auswärtigen, Blatt 44b

26 vgl. SpH, Pergament-Urkunde, Inventar S. 46

27 vgl. Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg e.V.,

Gemarkungs-Nr. 4477, Kenn-Nr. 659, Kleindenkmal-Nr. 506

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